Ein feuchter Traum für Milchbauern

Von wegen Hafer-, Soja- oder Reis-Drink: Nicole Kidman und ihr Erotikfilm »Babygirl« machen die Kuhmilch wieder zum Star. Nur im Spiel oder auch in echt?

Heutzutage gilt es schon als verwegene Geste, wenn Nicole Kidman für PR-Zwecke ein Glas Kuhmilch ext.

Foto: Getty Images

Wer in einem Kaffeeladen auf die mittlerweile übliche Rückfrage im Anschluss an die Latte- oder Cappuccino-Bestellung zuletzt tatsächlich noch »regular milk« beziehungsweise »normale Milch« antwortete, wurde wahlweise wie ein reaktionärer Tierquäler oder wirklich schräger Hinterwäldler beäugt. Der Sexappeal von pasteurisierter Kuhmilch liegt in Zeiten von Bewusstseins- und Allergienerweiterung ungefähr auf dem Niveau von Alufolie und Formfleischschinken. Entsprechend sank der Konsum von Milcherzeugnissen in Deutschland 2024 auf ein Rekordtief, während Ersatzprodukte wie Hafermilch ständig beliebter werden. Aber immer, wenn man meint, da geht nichts mehr, kommt aus irgendeiner popkulturellen Ecke ein Strohhalm her.

Diese Woche startet also Babygirl in den deutschen Kinos, und so viel darf man über den als »Erotikthriller« etikettierten Streifen in jedem Fall verraten: die viralste Szene ist, wie Nicole Kidman in einer Bar entschlossen ein Glas Milch ext. Das hatte sich die von ihr gespielte Chefin eines Logistikkonzerns beim Stammtisch mit den Angestellten nicht selbst bestellt. »Das wirst du doch wohl nicht trinken!«, sagt die Kollegin neben ihr entsetzt, wobei man nicht genau weiß, ob sie den Laktose-, Fettgehalt oder andere möglicherweise beigemischte Substanzen fürchtet. Aber Kidman ahnt bereits, dass der Wink vom jungen Praktikanten am anderen Ende des Raumes kommt, der bald ihr dominanter Lover sein wird. Sie setzt an, trinkt das Glas in einem Zug leer, und wischt sich den Milchbart mit dem Handrücken ab. Später bekommt sie fürs brave Gehorchen ein »Good Girl« zugeraunt. Von da an sind die Machtverhältnisse mehr oder weniger klar – und die Milch so etwas wie der heimliche Star des Films.

Kriegt die Kuhmilch also doch noch mal eine Chance? Das offizielle Merch-T-Shirt, das Kidman werbewirksam bei einer Premiere trug, war jedenfalls sofort ausverkauft. Auf Etsy gibt es Sweatshirts, Baumwollbeutel und Smartphone-Hüllen, dekoriert mit einem Glas Milch. Gut möglich, dass das Design ähnlich populär wird wie vergangenes Jahr das »I told ya«-Shirt aus dem Film Challengers. Und für Promozwecke ist die Auf-Ex-Geste natürlich eine Steilvorlage: Als Kidman vergangene Woche als beste Hauptdarstellerin des »National Board of Review« in New York ausgezeichnet wurde, stürzte sie bei der Dankesrede entsprechend das nächste Glas weg. Mehr feuchter Traum für Milchbauern geht nicht. Wahrscheinlich hoffen sie gerade auf möglichst viele Nachahmer in den Bars. Die Regisseurin Halina Reijn verriet ja unlängst, dass ihr das wirklich passiert ist, ihr also ein jüngerer Mann ein Glas Milch bestellte. Jede Wette, dass irgendwo bald das »Babygirl Gedeck« auf der Karte steht.

Was schwamm da nicht schon alles mit in dieser weißen, vorgeblich so unschuldigen Flüssigkeit. Milch war nie einfach nur ein gewöhnliches Getränk. Elizabeth Taylor badete als Kleopatra darin, um ihre Haut zu pflegen, James Dean hielt sich nach dem Autorennen mit tödlichem Ausgang in Denn sie wissen nicht, was sie tun verzweifelt eine kalte Milchflasche an die Schläfe und stürzte dann hastig große Schlucke davon hinunter. Sinnbild dafür, dass er eigentlich noch ein Halbstarker, ein Milchbubi ist. Auch in Uhrwerk Orange trinken die jugendlichen Hauptdarsteller nicht zufällig dieses Getränk, bevor sie sich ihrem Gewaltrausch hingeben. Ob Leon der Profi, No Country for Old Men oder Inglourious Basterds – wer demonstrativ Milch trinkt, das Urgetränk schlechthin, hat meistens eine verkorkste Kindheit hinter sich.

»Kinky«, wie jetzt in Babygirl, war die Flüssigkeit in Pornos natürlich immer schon, allein schon wegen der Nähe zur Muttermilch. In den Neunzigern war Milchtrinken sogar tatsächlich mal sexy, als Models wie Naomi Campbell und Heidi Klum mit Milchbart und dem Slogan »Got Milk« für die amerikanische Milchwirtschaft warben. Aber selbst das konnte den blähenden Zeitgeist nicht aufhalten. Nun trinkt sie eigentlich nur noch der Tatort-Kommissar Thorsten Falke, der jetzt auch nicht unbedingt zur jungen Generation gehört, während der designierte amerikanische Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. vor allem »raw milk« propagiert, deren Verzehr nicht nur weniger verträglich, sondern auch riskanter ist.

Wahrscheinlich wird es allen Nachahmern am Ende wie Nicole Kidman gehen. Die Schauspielerin erzählte in einem Interview, dass sie gar nichts gegen Milch habe, aber nach dem etwa 16. Glas sei sie dann doch auf milchig-weiß gefärbtes Wasser umgestiegen. Bläht weniger, ist verträglicher, tut keinem Tier etwas zu leide. Und wie hinterher trotzdem ein sexy Milchbart zurückbleibt – auch dafür gibt es bestimmt bald ein Youtube-Tutorial.

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