»Mir wurden vor Kurzem Sattel und Sattelrohr meines Fahrrads geklaut. Da mein Fahrrad über meine Hausratversicherung diebstahlversichert ist, habe ich den Schaden dort eingereicht, knapp 50 Euro. Die erforderlichen Nachweise – polizeiliche Anzeige, Fotos, Rechnungsbelege et cetera – habe ich alle eingereicht. Nun kam der Bescheid von der Versicherung: Kostenerstattung rund 1400 Euro für das komplette Fahrrad. Mein erster Impuls war, dies richtigzustellen und den Betrag zurückzuerstatten. Doch ausnahmslos alle, denen ich von dem Irrtum erzählt habe, sagen, sie würden das Geld an meiner Stelle behalten. Schließlich hätte ich die Versicherung ja nicht bewusst getäuscht, und man bezahle ja ohnehin genug.« Anonym, per Mail
Sie wissen natürlich, dass man Ihnen in aller Öffentlichkeit nicht gut dazu raten kann, das Geld zu behalten. Dennoch schreiben Sie hierher und hoffen auf eine Entscheidungshilfe. Was hat das zu bedeuten? Offenbar wollen Sie Ihre eigene Tendenz bestätigt bekommen und so der Versuchung widerstehen, zu tun, wozu Ihnen Ihre Umgebung rät. Denn Sie wissen natürlich, dass das illegal wäre. Vielleicht möchten Sie aber auch einfach darüber aufgeklärt werden, was Sie zu befürchten hätten, wenn Sie das Geld behalten und »erwischt« würden? Es ist so: Falls Sie vorhaben, sich dann darauf hinauszureden, dass Sie den unverhofften Geldsegen gar nicht bemerkt hätten, sollten Sie wissen, dass Sie als Bankkunde dazu angehalten sind, Ihren Kontostand regelmäßig zu prüfen. Die 1350 Euro zu viel müssten Ihnen also aufgefallen sein. Behalten Sie das Geld dennoch, nennt man das »ungerechtfertigte Bereicherung«. Das ist an sich keine Straftat, doch Sie sind von Gesetz wegen dazu verpflichtet, das Geld zurückzugeben. Es gibt Ausnahmen, das führt an dieser Stelle aber zu weit. Was für Sie interessant sein könnte, ist die Verjährungsfrist: drei Jahre. Bedeutet: Bemerkt die Versicherung drei Jahre lang ihr Versehen nicht, können Sie das Geld anschließend als Ihres betrachten. Wenn Sie darauf spekulieren, sollten Sie die Summe drei Jahre lang nicht antasten, sondern auf Ihrem Konto ruhen lassen, um sie im Falle einer Rückforderung jederzeit parat zu haben.
Ohne Sie zu kennen, möchte ich zumindest leise anzweifeln, dass Sie dafür die Nerven haben. Ihnen ist ja jetzt schon nicht wohl bei der Sache. Und da Sie sich für die Entscheidungsfindung an die Öffentlichkeit wenden, scheinen Sie doch in Wahrheit ganz genau zu wissen, was Sie für richtig halten.