Wetter kann Berlin. Pünktlich zur Berlinale fing es also an zu schneien. Timothée Chalamet lief trotzdem im zartrosa Tanktop über den roten Teppich, weil er und sein Stylist den Look nun mal so geplant hatten. Es gab aber auch vernünftigere Menschen bei der Berlinale, etwa die Schauspielerin Vicky Krieps, die sich zur Premiere von »Hot Milk« entsprechend warm anzog: hellgrauer Herrenanzug mit Hemd und Krawatte, darüber ein grauer Wollmantel. Gefroren haben dürfte sie darin deutlich weniger, geschnitten war das alles allerdings so dermaßen groß und kastig, dass es ein bisschen so aussah, als hätte sie sich die Klamotten von einem Kollegen geborgt.
Stimmt natürlich nicht. Der Entwurf (von Bottega Veneta) ist genau so gewollt, weil maskulines Tailoring – für Frauen – gerade wieder im Trend liegt. Zu den Critics Choice Awards kam Nicole Kidman im cremefarbenen Doppelreiher, zuvor war Ayo Edebiri aus »The Bear« im grauen Anzug mit Feder-Schlips bei den Golden Globes gewesen, und selbst wenn man natürlich weiß, dass hier vor allem Laufsteglooks aufgefahren werden, sieht das spontan doch sehr nach »Masculine Energy« aus. Also eigentlich genau, was Mark Zuckerberg sich so lautstark gewünscht hat.
Zur Erinnerung: Der Meta-CEO beklagte im Podcast von Joe Rogan, dass die Businesswelt allmählich »zu feminin« geworden sei. Ein bisschen davon sei okay und wichtig und so, aber jetzt brauche es wieder mehr männliche »Aggression«. Sagt übrigens ein Ehemann und Vater von drei Töchtern, der das mickrige Eins-zu-vier-Verhältnis in den eigenen Vier Wänden gewiss nie mit solchen Aussagen zu kompensieren versuchen würde. Vielmehr hatte er sicherlich genau den kernigen Häcksler-Aktionismus im Sinn, den Trump und Musk gerade ausleben. Weniger reden, mehr machen.
Ist das nur modischer Ungehorsam oder schon Satire?
Wie das gewünschte Frauenbild dazu aussieht, lässt sich an den Frauen und Mitarbeiterinnen des Trump-Clans ablesen. Lange Haare, hohe Schuhe, gern kurze Röcke. Bei Gala-Veranstaltungen bitte recht sexy, glamourös und glitzerig. Und nun kommen eine ganze Reihe prominenter Frauenvorbilder daher und ziehen demonstrativ Anzug an, immer noch die männliche Uniform schlechthin. Ist das nur modischer Ungehorsam oder schon Satire?
Frauen haben sich bekanntlich schon immer bei der männlichen Garderobe bedient. Im 17. Jahrhundert ließen sie sich »Riding Jackets« schneidern, zum besseren Fahrradfahren kam 1851 der »Bloomer Suit« mit Hosen unter dem Rock auf. Und Marlene Dietrich trug nicht nur im Film in den dreißiger Jahren Anzug und Krawatte. Massentauglich machte die »maskuline Energie« in der Mode vor allem Yves Saint Laurent. Seinen schmal geschnittenen Haute-Couture-Smoking kaufte 1966 genau eine mutige Dame, aber die Rive-Gauche-Version für die Stange wollten Scharen von jungen selbstbewussten Frauen sofort tragen. Auch der ein Jahr später gezeigte Anzug war ein feministisches Statement auf dem Laufsteg. Der Kleidertausch sollte den erhofften Rollentausch bringen. In den Siebzigern trug Diane Keaton in »Der Stadtneurotiker« Weste und Krawatte, in den Neunzigern lief Julia Roberts auf dem Roten Teppich in Armani-Anzügen.
Die aktuellen »Power Suits« sind also vor allem ein Zitat auf eine Revolution, die eigentlich längst stattgefunden hat. Aber womöglich spürte Anthony Vaccarello, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Neuauflage sei, als er vergangenen Herbst fast ausschließlich »Power Suits« für Saint Laurent zeigte. Damals wirkte das arg breitbeinig und wenig innovativ. Doch spätestens seit Januar wird man das Gefühl nicht los, dass Frauen sich wieder auf mehr Chauvinismus einstellen müssen. Wie darauf reagieren? Mit total femininer Energie und Rüschen und Trad-Wife-Ästhetik geht das natürlich auch. Aber die Macho-Männer mit ihren eigenen Waffen und Klamotten auf die Schippe zu nehmen, ist natürlich viel lustiger.
Wird auch getragen von: Hailey Bieber, Alexa Chung, Robyn
Das fragt der Karnevalist: Aber schneidet man jetzt an Altweiber auch den Frauen die Krawatten ab?
Passender Song: Girls & Boys (Blur)