Was schreibt man da? Eigentlich sollte es ein kleiner Gruß werden: »Fröhliche Weihnachten, komm gut ins neue Jahr. Ich hoffe, wir sehen uns bald, stoßen an, auf uns und das letzte Jahr.« Also ungefähr. Irgendwie so. Klänge nicht die letzte Nachricht von ihr im Verlauf schon beinahe wortgleich: »Freue mich, wenn wir mal wieder zusammensitzen und was trinken. Lass uns doch mal was ausmachen.« Die war vom Juni. Das war doch früher anders. Da waren die Freundinnen heilig gewesen. Es gab keine Weihnachtsgrüße auf gestalteten Klappkarten, keine »Frohes-neues-Jahr«-Wünsche, die am 31. schon nachmittags abgeschickt werden, um es sicher erledigt zu haben. Abgehakt. Es gab verlebte Tage und durchtanzte Nächte zusammen, Nachrichten ohne Formeln, aber voller echter Dringlichkeit. Keine Anrede, keine Füllwörter, keine steife Höflichkeit. Mehr Unachtsamkeit, mehr Echtes. Und vor allem: Es vergingen nicht Monate, ehe man sich wiedersah.
Jede Beziehung hat ihr Getränk. Opa holt ein gemeinsames Bier aus dem Keller, die Ex-Schwiegermutter mischt liebevoll Aperol Spritz, Urlaubs-Rotwein mit den Eltern, Kaffee mit den Kollegen, Kakao morgens daheim. Das Getränk meiner Freundinnen und mir war immer der Sekt. Auf Eis, lauwarm, egal.
Sekt läutete die kleine Feier ein, die unser Zusammenkommen immer war. Eine Freude im Alltag. Kein ganz großes Event, aber auch nicht nichts. Es gibt was zu feiern: uns. Klingt nach Mark-Forster-Song, begann aber vor seiner Zeit.
Sekt auf Eis macht nicht müde, träge oder lallig. Sekt ist das Getränk zu freudiger Erregung, ein Entrée, er führt immer zu diesem wunderbar dringlichen Reden, diesem kribbeligen Gefühl, unbedingt etwas loswerden zu müssen, sich mitzuteilen, aufzumachen, und auch andersherum: alles nachzuempfinden, alles wichtig zu nehmen. Sekt ist das Getränk der Zwischenrufe, des Einfühlens: »Ach krass, oh nee, mein Gott, Fuck.«
Verbunden mit den guten Freundinnen. Diesen Menschen, die dir kein o.b. Mini geben, wenn du sie nach einem Tampon fragst. Die heute noch nach dem Wickelkleid fragen, das ihr vor zehn Jahren mal zusammen gekauft habt. Die noch genau wissen, welcher Wochentag war, als dein Kind einmal dieses hohe Fieber hatte. Die beim Verlieben dabei und beim Schlussmachen da waren. Die man wirklich kennt. Die wirklich zuhören. Und nach langem Hin-und-her-Klagen halb liebevoll, halb vorwurfsvoll sagen, dass man verdammt noch mal gut genug ist – zumindest für die, die ständig an einem herummeckern. Menschen, die deine Verletzungen genervt anerkennen, deine Fehler neckend abtun und dich mit ihrer Anwesenheit irgendwie zu dir zurückführen. Nach drei Stunden mit ihnen ist jede geistige Kleinlichkeit verflogen. Jetzt plötzlich fällt es leicht, großherzig zu sein, zu gönnen, einzusehen, einzulenken, ein Klein-Beigeben wird zum Fein-raus-Sein. Ärger verflogen. Mit sich bereinigt. Alles so einfach nach dem Abend, nach dem Sekt, nach dem Beisammensein.
Dieses Jahr werde ich keine Weihnachtsformel schicken, kein Merry-Christmas-Trallala. Ich werde etwas schreiben wie: Warum lassen wir immer so viel Zeit verstreichen, bis wir uns wiedersehen? Wieso vergeht das Jahr immer so schnell? Lass uns Silvester einen Sekt auf all die Sekte trinken, die wir verschoben haben. Die verloren gingen übers Jahr, zwar geplant, aber dann abgesagt, vertrödelt, verpasst, und ja: auch nicht immer so wichtig genommen. Und die mir heute fehlen. Ein Sekt auf all diese Sekte, die nicht zustande kamen. Auf unsere Freundschaft, die es – wie wir immer so schön sagen – aushält, dass wir uns nur selten sehen. Darauf, dass sie es im nächsten Jahr nicht mehr muss!