Als die Trennung absehbar war, sagte Robert Habeck, die Ampel werde »keine Liebesbeziehung mehr«. So kennt man ihn, den Minister für Wirtschaft und echte Gefühle, so nahbar, so bildhaft, das versteht auch mein Gehirn. Aber was ist das schon, Liebe? Für Erich Fromm war Liebe vereinfacht gesagt eine Tat, die man tun muss. Das passt zur Koalition. Für Friedrich Nietzsche war Liebe Wahnsinn mit einem Fünkchen Vernunft. Passt auch. Der deutsch-trinidadische Ohrwurmzüchter Nestor Alexander Haddaway antwortete auf die Frage »What is love?« mit »Baby, don’t hurt me«. Für ihn ist Liebe also mit der Aufforderung verknüpft, einem nicht wehzutun, und vielleicht dachte das auch ein gewisser Finanzminister, nachdem der die Regierung an die Wand gefahren hatte.
Dabei ist alles viel einfacher. Liebe besteht aus Hibiskus, Apfel, Hagebutte, Vanillearoma, Himbeeraroma, Süßblättern, Himbeere und Vanilleextrakt. Genau genommen ist das nicht nur Liebe, sondern »Heiße Liebe«. Die Antwort auf eine der ältesten Fragen der Menschheit entdeckte ich bei einem Abstecher in den lokalen Supermarkt. Zu Hause lag meine Holde bibbernd auf dem Sofa, sie hatte mir aufgetragen, hinauszuziehen in die Weite und nach English Breakfast Tea zu suchen. Der Herbst hat ja nicht nur die Lebensdauer eines offenen Joghurts bei Zimmertemperatur. Er bringt die Leute auch jedes Jahr erneut dazu, sich in Wolldecken zu hüllen und dampfende Tees zu trinken. So ein beruhigender Tee ist ja auch das passendere Getränk für so eine Zeit als ein Herzkasperkaffee. Inflation, Rezession, wieder kein EM-Titel, und dann kostet der Döner auch noch acht Euro. Armes Deutschland!
Ein »Herbst der Entscheidungen« sei das, hieß es ja von oben. Was damit aber auch gemeint sein könnte, verstehe ich vor dem Teeregal. Gab es schon immer so viele Tees? Spanische Orange. Schwedische Blaubeere. Mediterraner Pfirsich. Italienische Süß-kirsche. Persischer Granatapfel. Wann das wohl angefangen hat, dass Solonamen wie Kamille und Pfefferminze nicht mehr trendy waren und den sinnlich-exotischen Adjektivdoppelnamen weichen mussten? Funktioniert aber gut. »Nordkoreanische Langstreckenrakete« klingt ja auch anschaulicher als der bloße »Flugkörper«.
Ein paar Beutel weiter gibt es auch den Geschlechterkampf zum Aufbrühen. Der »Männer Tee« (Ingwer, Ginseng, Chili), der als »kräftig, bodenständig, würzig« beschrieben wird. Unter würzig stelle ich mir die Füße eines wettergegerbten Hippies vor, der Nine-to-five-Jobs als Quälerei schimpft und aus Prinzip nur schuhlos durch diese kapitalverseuchte Welt läuft, weil es ihn erdet. Dabei sucht er eine »Frauen Tee«-Trinkerin (Ingwer, Orangenschale, Kamillenblüte), die »lebendig, einfühlsam, wundervoll« ist und kein Problem damit hat, ihre Karriere im Marketing aufzugeben, um die Gesänge des würzigen Mannes in der Fußgängerzone mit dem Tamburin zu begleiten. Erst ein »Frecher Flirt« (Granatapfel und Brombeer), dann ein »Sweet Kiss« (Kirsche und Erdbeer) und was als »Kleine Sünde« (Heidelbeere und Vanille) beginnt, wird »Heiße Liebe«. Liest man sich die Teesorten durch, dann ist mehr los als in so manchem Schlafzimmer.
Ich frage mich, wie es wäre, wenn man künftige Koalitionen nicht nach Farben, sondern nach Teesorten taufen würde. »Die Brombeer-Regierung verurteilt die amerikanischen Handelszölle scharf«, das klingt ja genauso bescheuert wie: »Die Ampel-Koalition führte zum Stillstand«. Viel erfrischender wäre es zu lesen: »Recherchen ergaben, dass die ›Frechen Bienchen‹ das Aus der ›Innere-Harmonie‹-Koalition lange planten!« Die Verpackung der »Frechen Bienchen« (Ingwer und Honig) ist übrigens gelb.