Die Grundlagen meiner weit über die Landesgrenzen hinweg berühmten und absolut unvergleichlichen Coolness hat ohne Zweifel mein Vater gelegt. Er hat mir beigebracht, wie man einen Hammer hält und wie eine Schlagbohrmaschine, wie man ein Mofa frisiert und ein Auto trotz geplatzter Reifen weiter schnurgeradeaus fährt, ich habe von ihm gelernt, dass man barfuß am entspanntesten kocht und wie man beim Skilaufen raucht, man klemmt sich nämlich einfach die Stöcke fest unter den rechten Arm, dann ist die linke Hand frei für eine Zigarette, so ist alles außer sehr steilen Abfahrten und Buckelpisten problemlos zu meistern. Der Trick an der Coolness ist ja nur, sich cool zu fühlen, also die existenzielle Angst nicht zu spüren, die natürlich auch äußerlich coolen Leuten permanent im Nacken sitzt, gerade bei solchen Sachen wie dem Hantieren mit Schlagbohrmaschinen, geplatzten Autoreifen oder eisigen Pisten.
Um dieser Angst auch im Denken und nicht nur im Handeln etwas entgegenzusetzen, hat mir mein Vater noch die Vorliebe für sarkastische Einzeiler im Don-Draper-Stil mitgegeben, er pflegte Dinge zu sagen wie »Die Hälfte der Menschen hat einen Geldautomaten an der Stelle, an der andere ein Herz haben« oder das unter Radrennfahrern beliebte Bonmot »Rennfahrerblut ist keine Buttermilch«. Ich liebe gerade diesen Satz sehr, weil er mich immer und sofort an meinen Vater erinnert, an die Zeit, in der er noch nicht ins langsame Verschwinden abgetaucht war, der Satz hilft mir in vielen Situationen, meine Ängste wegzuschieben und, ja: cool zu bleiben. Und doch testet die Behauptung meine Ambiguitätstoleranz, denn hier wird von jenen, die ich für ihre Kraft und Gelassenheit sehr bewundere (Radrennfahrern), ein Getränk verhöhnt, das ich für seine Kraft und Gelassenheit sehr bewundere (Buttermilch). Ich finde es genauso schamlos, Buttermilch mit Schwäche gleichzusetzen, wie ich die Vorstellung skandalös finde, dass Radrennfahrer lügen könnten. Nach reiflicher Überlegung und Abwägung dessen, was in den vergangenen Jahrzehnten alles so passiert ist, habe ich mich entschieden, der Buttermilch zu vertrauen und die generelle Bewunderung für Rennfahrer auf meinen Vater zu übertragen, weil er a) in jungen Jahren selbst Radrennen fuhr und b) derjenige war, der Buttermilch in mein Leben brachte, meistens, wenn er gerade verschwitzt und ausgehungert vom Radfahren zurückkam.
Ich kenne viele Menschen, die Buttermilch fürchterlich finden, aber ich kann das nicht verstehen, denn sie ist das stärkste und damit coolste Getränk der Welt. Sie macht mit einem Fettgehalt von unter einem Prozent und hohen Mengen an Vitamin B2, B5, B12, Kalzium und Kalium gesund, angeblich macht sie auch schön, vor allem aber macht Buttermilch satt, ohne dass man sich an wilden Tagen umständlich mit Essen und Kauen aufhalten muss – an einem Tag, der um neun Uhr beginnt, aber in der Nacht zuvor sehr spät geendet hat, was zum Beispiel auf obercoolen Literaturfestivals gern mal der Fall ist, habe ich grundsätzlich zwei halbe Liter Buttermilch in meiner gigantischen Handtasche. Kinder denken, ich hätte geheime Maschinen in diesem Ungetüm versteckt, was auch teilweise der Wahrheit entspricht, denn Buttermilch ist eine geheime Maschine. Sie kümmert sich um meinen Mineralstoff- und Proteinhaushalt, sie erspart mir zeitraubende Zwischendurchzahnpflege und sogar Gesichtspflege, denn richtig angesetzt, zerstört die leichte Kunststoffflasche nicht mal den Lippenstift. Pünktlich um 17 Uhr, zum Empfang mit Häppchen, habe ich richtig Hunger, aber keine Bauchschmerzen von einem hilflos durchsnackten Tag. Und kräftemäßig könnte ich auch vor dem Essen immer noch allen zeigen, wie die Queen of Cool einen Hammer hält.