Neues Jahr, neue Lüge, so ehrlich muss man sein. Wie viele Biere sind schon getrunken, wie viele Kippen geraucht, wie viele Kilometer gelaufen? Ja, ich doch auch. Doch keine Sorge. Bis zum Ende des Textes werden Sie wissen, wie ich mich aufgerafft habe, aber bis dahin müssen wir durchhalten, das ist Teil der Abmachung, Teil der Technik, Sie und ich, gemeinsam.
Erst das Mantra: Ich werde Sportler. Damit fängt’s an, nicht »Ich würde gern Sportler werden«. Ich werde. Entschied ich Anfang Januar, als ich nachts am Bahnhof vor einem Snack-Automaten stand. Weiß der Teufel, was mich geritten hat, dass es mich von allen Getränken ausgerechnet nach einem Powerade dürstete. Powerade trinken nur Olympioniken und Kinder mit Affinität zu bunten Getränken. Raten Sie mal, was ich war. Was war, das war, ich weiß, was ich sein werde, nämlich Sportler. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, mögen manche warnen, und ein Sportgetränk keinen Sportler. Sport, was sucht das denn überhaupt hier, mögen manche meckern, das ist doch die Getränkekolumne, wo es um Trinkbares geht, ständig geht es um etwas anderes als ums Getränk! Denen möchte ich höflichst entgegnen, dass Trinken beim Sport sehr wichtig ist. Auch welches Getränk in den Körper fließt, ist von nun an wichtig, denn als Sportler, der ich sein werde, gedenke ich auch genau zu schauen, was ich da zu mir nehme. Ein Sumo-Ringer schaut da anders drauf als eine Leichtathletin, sehen Sie, alle Wege führen nach Rom, aber jeder in seinem Tempo, alte Sportlerweisheit, glaube ich. Als Sportler, der ich sein werde, ist man nicht nur ein Mensch, der sich sportlich betätigt, Sport ist auch Kopfsport: Zahlenkünstler, Kleingedrucktesleser, Prokrastinationsprotestler, das macht viel mit dem Kopf, einzige Ausnahme: Sportarten, wo man »den Kopf ausschalten« kann. Kompliziert, kompliziert, aber das finden wir schon raus, Sie und ich, gemeinsam.
Vorbereitung ist wichtig. Dazu gehört, dass man wie die Sportler, die wir sein werden, denken muss, sprechen muss, Wörter wie Vorbereitung gehören dazu. Aufwärmen, auch wichtig. Den Gang anpassen. Wer gleich im fünften anfährt, kommt nicht weit. Nein, langsam steigern. Aber nicht ins Auto springen! Gang = Gehen. Sportler gehen ja ganz anders. Fußballer: breitbeinig, x-beinig, überhaupt sehr beinig. Tennisspieler: federnd (mancherorts auch federernd). Hockeyspieler: wie Fußballer, nur mit Stock. Ich werde Sportler, aber wie genau ich gehen werde, habe ich noch nicht entschieden. Das finden wir noch raus, gemeinsam.
Das Thema Gehen ist wichtig, vor allem zu welchem sportlichen Ort. Manche gehen ins Gym. Finde ich furzlangweilig. Da wimmelt es von Leuten, die »gern Sportler werden würden«, und jenen, die es bereits sind. Stiernackigen Männern und bezopften Frauen, alle in einschüchternd engen Radlerhosen. Besonderer Hass gilt dort dem Schweinehund, den es immer zu bezwingen gilt. Wieso immer die harte Tour? Hühner kennen diesen Hass sicher nicht, mit ihren ach so tollen Proteinen und geringen Fettwerten. Schweine sind süß, und Hunde mögen auch fast alle, darauf kann man sich geflissentlich einigen. Außerdem sind Schweine schlau (Kopfsport) und Hunde schnell (Körpersport). Da sieht man’s wieder, beides zusammen. Nein, nein, so werden wir nicht. Wir werden Sportler, die auch mal mit Schweinehunden auf dem Sofa kuscheln, weil wir nicht nur lieb zu unseren werdenden Sportlerkörpern, sondern auch zu Schweinehunden sind. Danach den Schweinehund füttern. Uns vielleicht auch. Hat’s heute Morgen schon so genieselt? Im Regen Sportler zu werden ist ja auch blöd. Vielleicht hört es ja morgen auf. Oder nächste Woche. Mensch, schade.